Wenn man Facebook-„Freunde“ im echten Leben trifft

Ich beschäftige mich in diesem Blog ja öfter mit Facebook (hat man bestimmt schon gemerkt). Facebook ist für viele der Inbegriff von Social Media, für mich in der Regel auch. Nun habe ich da fast 600 „Freunde“, die sich im Laufe des Lebens (ich bin erst 29!) so angesammelt haben.

Ich behaupte nicht, dass ich die alle noch auf der Straße erkennen würde. Aber gerade am Wochenende hatte ich zwei Mal in dieser Hinsicht ein Aha-Erlebnis. Als moderner Journalist habe ich mich auf der Fachtagung Besser Online des Deutschen Journalisten-Verbandes in Bonn rumgetrieben. Da traf ich dann auf Kolleginnen und Kollegen, die ich schon auf anderen Veranstaltungen getroffen habe und mit denen ich mich irgendwann mal bei Facebook befreundet hatte.

Leider habe ich ein schlechtes Namensgedächtnis, zumindest brauche ich am Anfang, wenn ich jemanden kennenlerne (Horror: mehrere Fremde auf einmal in großer Runde begrüßen und Namen austauschen) lange, bis ich mir den Namen merken kann. Letzte Woche war ich auf dem Geburtstag einer Freundin und musste meine Tischnachbarin in 5 Minuten drei Mal fragen, bis ich mir merken konnte, dass sie Julia heißt.

Aber nun zu meinem Aha-Erlebnis: Dank Facebook sehe ich, sobald ich mit jemandem befreundet bin, meistens regelmäßig sein Bild, seinen Namen und eine mehr oder weniger interessante Statusmeldung. Das ist für mich perfekt, um Namen zu lernen. Bei Besser Online jedenfalls hat es funktioniert. Ich konnte viele Leute freudestrahlend mit Namen begrüßen.

Umgekehrt klappt das aber wohl nicht. Der Blick meiner Gegenüber schweifte dann in Richtung meines Namensschilds, das ich schon möglichst weit oberhalb der Brust befestigt hatte. Es war wirklich eindeutig: Verwirrung (er kennt mich???), Blick nach unten (Name gelesen), kurze Denkpause (das ist also Timo Stoppacher, aber was macht er), Erinnerung (ja klar-Gesichtsausdruck) und dann begann ein nettes Gespräch.

In einem Fall muss ich den Gesprächspartner in Schutz nehmen. Wir hatten zwei Jahre lang regelmäßig beruflichen Kontakt per E-Mail und Telefon, aber uns nur ein einziges Mal für zwei Minuten live unterhalten. Und weil sein Facebook-Foto stark unterbelichtet ist, half auch mir sein Namensschild weiter.

Ein Tag im Leben der Menschheit ohne Facebook

Was wäre wenn? Eine spannende Frage, je nachdem, was folgt. Was wäre wenn Facebook einen Tag nicht funktionieren würde. Serverabsturz, ein Gerichtsurteil, weil Mark auch irgendein Patent verletzt hat oder sonst was.

Was wäre wenn? Für mich persönlich kann ich die Frage beantworten: Ich würde am Tag mindestens eine Stunde mehr arbeiten und wieder mehr fernsehen. Komische Kombination, ich weiß. Aber ich kann es erklären. Während ich am Schreibtisch sitze und schreibe, ist im Hintergrund immer Facebook auf. Und spätestens nach einer Stunde Arbeit wird zur Entspannung mal ein Blick in die Timeline geworfen. Da ist ein interessanter Link, schnell angesehen, „geliked“ und/oder kommentiert, geteilt und wieder sind fünf Minuten rum. Sozusagen meine Art von Raucherpause. Ich habe mich schon ertappt, dass (insbesondere an heißen Sommertagen) ich mich frage, warum in meiner Timeline nichts passiert. Das schöne ist ja, dass sich die Seite automatisch aktualisiert, manchmal mehrmals pro Minute. Und bei knapp 600 Facebook-Freunden kann ich doch erwarten, dass irgendjemand irgendwas postet.

Womit ich beim Aspekt „mehr fernsehen“ wäre. Facebook ist mein Fernsehersatz geworden. Da passieren einfach mehr Dinge, die mich interessieren und ich bin gleichzeitig in Kontakt mit anderen Menschen (diese Sehnsucht nach Kontakt wird bei gleichzeitigem TV-Konsum unter dem Begriff „Social TV“ verbucht – Tausende Zuschauer kommentieren live TV-Ereignisse bei Facebook und Twitter).

Wenn es Facebook nicht gäbe, würde ich vermutlich mehr Fernsehen. Oder noch ne Stunde mehr arbeiten. Wer weiß. Generell würde ohne Facebook die Produktivität in den meisten Unternehmen spürbar steigen. Ich kenne so viele Leute, von denen ich weiß, dass sie tagsüber arbeiten (sollten). Und trotzdem wird munter gepostet, gelikt, kommentiert usw. Vielleicht wäre das die Rettung für die Weltwirtschaft. Einem Land geht es wirtschaftlich nicht gut? Facebook einen Monat abschalten, ruckzuck steigt die Produktivität der Volkwirtschaft.

Auch die Handynetze wären weniger verstopft. Ich alleine jage im Monat über 100 Megabyte nur für Facebook durch das O2-Netz und ich nutze Facebook zu ca. 90% zuhause am Computer. Ich könnte mir die Zeit in Bus, Bahn und an der Supermarktkasse nicht mehr mit Facebook verkürzen, aber das wäre kein Drama, schließlich kann ein Smartphone noch mehr als nur Facebook – wer wüsste das besser als ich.

Facebook fast alles verdrängt. MySpace? Studi/MeinVZ? Tot. Alles geht über Facebook. Viele andere Dienste wie Pinterest nutzen den Facebook-Login, damit die User möglichst einfach den Dienst nutzen können. Nur fürs Business ist Xing bislang geeigneter, aber wer weiß, wie lange noch. Wenn in den Unternehmen in 10 oder 20 Jahren auch die Entscheidungsträger Digital Natives sind, die vor der Geburt schon ein Profil von ihren Eltern angelegt bekommen hatten (ich weiß, so schnell geht es nicht), wird Facebook auch in den meisten Unternehmen Alltag sein und nicht nur zu Marketingzwecken. Bis dahin muss natürlich noch am Datenschutz gearbeitet werden. Aber Facebook sucht ja noch ein Geschäftsmodell: „Facebook Enterprise“?

Zum Schluss noch eine Anekdote, die ein paar Jahre her ist. Eine sehr beliebte Online-Community (quasi Marktführer) für eine spezielle Kundschaft hatte Serverprobleme und war einen Tag offline. Prompt trieben sich die User wieder auf den Konkurrenzplattformen rum, aber nur um dort zu diskutieren, wann denn nun der gewohnte Dienst wieder online ist.

Den besten Kundenservice gibt’s bei twitter

Deutschland ist eine Service-Wüste. Überteuerte Hotlines, an denen man ewig wartet und die dann mit inkompetenten Mitarbeitern besetzt sind, denen zwar in der Regel alles furchtbar leid tut und die sich garantiert drum kümmern und dann melden…

Warum tun wir uns das an? Es gibt doch twitter und facebook. Und hier habe ich wirklich vorbildlichen Kundenservice erlebt.

Mein Internet geht einmal im Quartal kaputt, Router-Neustart hilft nicht, die Leitung bleibt tot. Ich twittere dann einen Hilferuf per Handy an UnityMedia (@unitymedia). Mittlerweile haben die zu meinem twitter-Account (@cgntimo) schon die Kundennummer gespeichert. Und oh Wunder, in dem Moment, in dem der Antwort-Tweet kommt, geht die Leitung auch wieder. Das kann ein Zufall sein, aber ich glaube schon lange nicht mehr an Zufälle.

Die Bahn ist das Hassobjekt bei Kunden schlechthin, würde ich mal vermuten. Ich mag die Bahn, denn das twitter-Team der DB (@DB_Bahn) antwortet von 6 Uhr morgens an auf Anfragen innerhalb weniger Minuten und zwar kompetent und freundlich (mit Ausnahme des nicht-rassistischen Ereignisses letzte Woche). Vielleicht sollte das twitter-Team den restlichen Kundenservice schulen…

Auf facebook habe ich auch schon allgemeine Anfragen loswerden können und in angemessener Zeit eine Antwort erhalten. Melitta empfahl mir eine neue Kaffeesorte als Ausgleich für die, die sie aus dem Programm genommen hatten. Und die ist richtig gut.

MisterSpex hat mir auch schon Tipps geben können. Hierzu muss ich anmerken, dass ich als Journalist einen Presserabatt bei MisterSpex in Anspruch genommen habe. Nur deshalb schreibe ich jetzt nicht ausführlich, wie zufrieden ich generell mit MisterSpex bin.

Der private Finanzmarkt Smava brauchte auf einen simplen Facebook-Kommentar an einem Werktag jedoch bis zum übernächsten Tag, bis eine Antwort kam. So dann nicht.

Aber ich glaube, dass  Kundenservice bei twitter besser aufgehoben ist als bei Facebook. Das ist meine eigennützige Meinung. Bei twitter ist einfach weniger los bzw. da sind nur Leute unterwegs, die sich ein bisschen besser auskennen und nicht diese stänkernden Proleten, die auf Facebook die Shitstorms inszenieren, für die es in letzter Zeit tolle Beispiele gab, z.B. Vodafone, DHL und Rossmann. Vielleicht sollten wir einen Preis ins Leben rufen, für die besten Reaktionen auf negative facebook-Kommentare.