Gastbeitrag: Wie der Bewerberprozess immer digitaler wird

FullSizeRenderEigentlich überfliege ich Pressemitteilungen höchstens und lösche sie direkt. Doch bei „Die sechs wichtigsten Trends im Recruitung“ von der Anxo Management Consulting bleibt mein Blick am Wort „Suchmaschinen“ hängen. „Suchmaschinen und Personalsuche?“, staune ich – und lese weiter. Danach bitte ich um einen Interviewtermin. Das Ergebnis dieses Gesprächs lest Ihr hier.

 

DagmarStrehlau
Dagmar Strehlau. Bild: ANXO MANAGEMENT CONSULTING GmbH

Dagmar Strehlau ist Senior Consultant bei der Anxo Management Beratung in Hofheim im Taunus. Mit ihr spreche ich über die Recruiting-Trends des Jahres – und sie haben alle mit der digitalen Welt zu tun:

Sie sagen, der Bewerbungsprozess finde überwiegend im Internet statt. Was genau bedeutet das eigentlich?
Heute ruft niemand mehr in einer Firma an und bittet darum, eine Unternehmensbroschüre geschickt zu bekommen. Die gesamte Informationsbeschaffung läuft über das Internet. Bewerber suchen nach Stellen in den einschlägigen Plattformen. Sie gehen dann auf die Homepage des Unternehmens und schauen sich dort beispielsweise Videos an, in denen Mitarbeiter sich und ihre Arbeit vorstellen. Im nächsten Schritt geht der potenzielle Bewerber auf eine Bewertungsplattform: Wie zufrieden sind die Mitarbeiter mit dem Unternehmen? Wie ist dort das Arbeitsklima? Dann verschickt er seine Bewerbung per Mail oder über ein spezielles System, das in die Unternehmenswebpage integriert ist.

Moment. Deutschlands Wirtschaft ist vom Mittelstand getrieben. Lesen und hören wir nicht immer, dass der deutsche Mittelstand in Sachen Internet hinterherhinkt?
Richtig. Und das ist ein großes Problem. Denn gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ist es schwierig, gute Mitarbeiter zu finden. Stellt sich ein Unternehmen im Netz nicht zeitgemäß dar, wird es noch schwieriger. Der Mittelstand hat großen Nachholbedarf in Sachen Internet. Ich hatte erst neulich einen Kunden, der eine einzige Anzeige in genau einer Zeitung aufgeben wollte. Diese Zeiten sind vorbei. Eine Anzeige muss man auf mehreren Kanälen publizieren.

Welche Kanäle sollten das sein?
Das hängt stark davon ab, wen man sucht. Die richtige Plattform muss sowohl zur Branche als auch zur ausgeschriebenen Funktion passen.

Wir sprechen hier aber auch von sozialen Medien?
Absolut. Soziale Medien sind immer stärker eine Visitenkarte für beide Seiten. Nehmen wir das Beispiel Xing. Zu diesem Business-Netzwerk gehört Kununu, eine Plattform, um Arbeitgeber zu bewerten. Während Personaler auf Xing nach Bewerbern suchen, informieren diese sich bei Kununu über die möglichen Arbeitgeber. Das bedeutet, dass beide Seiten in den sozialen Medien sein müssen und sich dort gut präsentieren sollten.

Bewerber können ihr Xing-Konto mit Twitter, Facebook, einem Blog und vielen anderen Dingen verknüpfen. Wie sinnvoll ist das?
Man zeigt sich selbst damit, aber auch, was man kann. Und man zeigt, dass man mit neuen Medien umgehen kann – das ist besonders für ältere Bewerber relevant und für die, die im Vertrieb oder im Marketing arbeiten wollen. Denn dort geht es ums Verkaufen. Wer eine Stelle sucht, macht im Prinzip nichts anderes. Er sucht einen Käufer für seine Arbeitskraft.

Unternehmen wie beispielsweise Daimler haben eine eigene Facebook-Recruiting-Seite. Ist das der richtige Weg?
Das ist ein Weg, gerade wenn man zum Beispiel Nachwuchskräfte gewinnen muss. Es kommt immer darauf an, wen man ansprechen möchte. Suche ich beispielsweise international, komme ich derzeit nicht an LinkedIn vorbei, auch wenn Xing in Deutschland sehr erfolgreich agiert.

Was hat Suchmaschinenoptimierung mit Recruiting zu tun?
Eine ganze Menge: Sucht ein Student einen Praktikumsplatz bei einem Personalberater, gibt er bei Google sehr wahrscheinlich „Praktikum Personalberater“ ein. Das Unternehmen, das als erstes in der Trefferliste auftaucht, bekommt höchstwahrscheinlich mehr Bewerbungen möglicher Praktikanten als die Konkurrenz. Wir alle wissen, dass aus guten Praktikanten Mitarbeiter werden können. Und so schließt sich der Kreis. Das ganze lässt sich sehr einfach auf den Punkt bringen: Wer nicht im Netz ist, wird nicht gefunden. Unternehmen haben gelernt, dass ihre Homepage suchmaschinenoptimiert sein muss, um ihre Produkte zu verkaufen. Heute sind wir einen Schritt weiter: Wer Mitarbeiter sucht, muss die Homepage auch diesbezüglich optimieren.

Wie macht man das?
Unternehmen, die eine gute Onlinemarketingabteilung haben, schaffen das alleine. Allerdings müssen dazu die Personalabteilung und die Marketingabteilung enger zusammenarbeiten als bisher. Ist das nicht möglich, ist es sinnvoll einen externen Experten ins Boot zu holen.

Und dann wartet man als Unternehmen darauf, gefunden zu werden?
So einfach ist es leider nicht mehr. Personalabteilungen müssen umdenken, sie müssen aktiv nach Kandidaten suchen, und zwar in den sozialen Netzwerken. Deswegen ist es so wichtig, dass sie dort auch präsent und aktiv sind. Wir nennen das im Fachjargon „active sourcing“.

Das Internet wird immer mobiler. Welche Auswirkungen hat das auf den Bewerbungsprozess?
Er wird schneller. Bewerber recherchieren morgens in der Bahn, ob es eine freie Stelle gibt. Wer seine Unterlagen auf der zugehörigen Plattform gespeichert hat, kann sich sofort bewerben. Dadurch hat er einen Zeitvorsprung. Wir hören auch immer öfter, dass besonders junge Leute aufgrund einer Anzeige einfach in der Firma anrufen, sich mit ihren Kenntnissen vorstellen und fragen, ob sie passen könnten. Darauf müssen Unternehmen eingestellt sein.

Als Journalistin interessiert mich natürlich, ob das alles auch für die Medienbranche gilt. Sie hat in Sachen Internet doch einiges verschlafen.
Ich vermute, dass Journalisten, deren Aufgabe es ist, kritisch zu sein, darum viele Chancen in den vergangenen zwei Jahrzehnten verpasst haben, weil sie den neuen Medien gegenüber sehr kritisch waren und manchmal noch sind. Schließlich sind diese Medien selbst Wettbewerber, aber sie schaffen auch die Grundlage für andere, neue Konkurrenten. Das ändert allerdings nichts daran, dass auch Medienunternehmen und Journalisten lernen müssen, im Bewerbungsprozess mehr auf das Internet und soziale Medien zu setzen. Sie sollten mutiger sein, sich vielleicht ein Stück vom eCommerce abschneiden. Dort probiert man viel aus, vielleicht manchmal zu viel. Aber ein bisschen von dieser Mentalität täte manchen Medienunternehmen und Journalisten durchaus gut.

Wie der Markenaufbau für Journalisten funktioniert, erklären wir auf Fit für Journalismus.

Die Autorin Bettina Blaß ist selbstständige Wirtschafts-Journalistin, Dozentin und Buchautorin in Köln. Ihre Homepage: http://www.wirtschaft-verstehen.de