Foodsharing: Ich wollte mal was Gutes tun – dann kam es anders

Ich mag es nicht, wenn Lebensmittel weggeworfen werden. In meinem Einpersonenhaushalt kommt das auch nicht oft vor, weil ich relativ überlegt einkaufe. Bei meinem Geburtstag neulich ist sehr viel übrig geblieben. Das meiste haben die Gäste wieder mitgenommen und ich hatte noch genug für die nächsten Tage. Aber ich hatte noch eine große Packung Würstchen und eine große Packung Frikadellen übrig, die beide noch ungeöffnet waren, die ich aber auch nicht alleine essen wollte.

Schon öfter habe ich von Lebensmittelrettern und Co. gelesen, die Essbares einsammeln, einfach damit es nicht auf dem Müll landet. Die gehen sogar an die Müllcontainer von Supermärkten ran und fischen da noch einiges raus, was noch essbar ist, aber den Kunden nicht mehr zugemutet werden kann.

Nun wollte ich ja niemandem Müll andrehen, die Sachen waren noch zwei Wochen haltbar und die ganze Zeit gekühlt. Also habe ich mir ein paar Plattformen im Netz angesehen, wo man überschüssige Lebensmittel anbieten kann. So richtig komfortabel in der Bedienung war keine Seite. Auf http://foodsharing.de/ habe ich dann schließlich einen sogenannten Essenskorb angelegt. Da beschreibt man, wo die Lebensmittel herkommen und was genau angeboten wird. Anschließend wird das anonym veröffentlicht und wer sich für den Essenskorb interessiert, kann mit mir Kontakt aufnehmen, um die Übergabe zu besprechen.

foodsharing

Ich hatte die Befürchtung, dass ich da lange warten kann, weil ich zwar noch in Köln, aber schon ziemlich außerhalb wohne. Doch: noch am gleichen Abend kam die erste Anfrage, die aber am nächsten Tag wieder zurückgenommen wurde. Ok, neuer Versuch und recht schnell kam die zweite Anfrage. Die Person wollte die Sachen auch haben, konnte aber erst eine Woche später vorbei kommen, um sie abzuholen. Wir vereinbarten dann gestern 8 Uhr, weil sie noch zu einer Tagung musste und das dann wohl auf dem Weg einsammeln wollte – zumindest hatte ich das aus den Mails, die etwas ungelenk waren, so verstanden. Aus dem Deutsch und dem Namen tippte ich auf jemanden mit ausländischen Wurzeln.

Einen Tag vorher schrieb ich nochmal eine Erinnerungsmail, denn ich wollte nicht umsonst warten müssen. Ein paar Stunden später klingelte mein Telefon und eine ältere Dame stellte sich vor, es ging um den Essenskorb. Wo genau in Köln sie den denn abholen müsste und als ich mir meine Adresse nannte, frug sie mich nach dem Weg. Soweit kein Problem. Ich war aber wohl ziemlich naiv, als ich dachte, jemand informiert sich vorher, ob sich der Weg lohnt. Denn ich hatte meine Adresse angegeben und Foodsharing zeigt sie auf der Karte an.

Jedenfalls riss während der Wegbeschreibung die Verbindung ab, sodass ich eine SMS schickte, weil der Weg vom Bahnhof zu mir doch ein paar Abzweigungen hat. Keine Reaktion und ich ging wieder davon aus, dass das wohl nichts werden würde.

Wieder wurde ich vom Gegenteil überzeugt: um 7.30 Uhr klingelte erneut das Telefon, aber diesmal war ein Mann dran: „Ich rufe im Auftrag von Frau H. an und soll Sie fragen, wie sie jetzt hier vom Bahnhof zu Ihnen kommt.“ Wir beschlossen dann, dass es doch einfacher sei, wenn ich es ihr selbst erkläre und ich wurde weitergereicht. Wie gesagt, der Weg ist etwas verzwickt und ich hatte (wieder naiv) auch gedacht, man könnte ja einfach auf ein Smartphone schauen. Man soll echt nicht von sich selbst auf andere schließen.

Nur zehn Minuten später klingelte es an der Tür – die Frau musste gut zu Fuß sein, denn ich brauche für den Weg zum Bahnhof in der Regel schon 15 Minuten und ich gehe zügig. Ich öffnete die Tür und wusste nicht mehr, was ich sagen sollte. Frau H. saß in einem schweren Elektrorollstuhl und hatte damit den Weg zu mir zurückgelegt. Für ein paar Würstchen und ein paar Frikadellen. Ich habe mich so schlecht gefühlt. Hätte Sie in den E-Mails oder am Telefon ihre Situation geschildert, wäre ich ihr natürlich entgegen gekommen oder hätte ihr die Sachen gebracht, wenn ich es hätte einrichten können. Aber so?

Das sind die Momente, in denen man merkt, wie selbstverständlich wir alles hinnehmen und in denen ich ganz persönlich merke, wie gut es mir geht. Ich nutze wie selbstverständlich ein Smartphone um mich zu orientieren und mein Essen bekomme ich im Supermarkt für Geld. Dass Menschen stattdessen Strapazen auf sich nehmen müssen, hat mir das wieder einmal vor Augen geführt. Ich habe Frau H. gesagt, dass sie doch den Rollstuhl hätte erwähnen können. Denn der Weg, den ich ihr beschrieben hatte, war dank aktueller Baustelle nämlich überhaupt nicht rollstuhlgeeignet. Ihre Antwort hat mir imponiert:

„Wenn ich wo hin will, komme ich da auch hin.“

Mit dem Foodsharing wollte ich etwas Gutes tun und in erster Linie das gute Gewissen haben, dass wegen mir keine Lebensmittel auf dem Müll gelandet sind – oder zumindest weniger. Hat nicht geklappt – ich habe mich schlecht gefühlt, richtig schlecht. Die Lektion, die ich daraus gelernt habe: Ich werde weiter versuchen zu vermeiden, das Lebensmittel auf dem Müll landen. Sicher auch mit Foodsharing, wenn es erforderlich ist. Aber ich werde immer versuchen, den Menschen, die die Sachen holen, so weit wie möglich entgegen zu kommen.