Social Cinema – das nächste große Ding

Zu Social TV habe ich mich ja erst kürzlich geäußert. Und nun das nächste große Ding: Social Cinema. Also in Kino den Film kommentieren bei Twitter. Was das bringen soll? Ja, das frage ich mich auch.

Aber neulich im Kino sah ich viele Zuschauer um mich herum, bei denen es regelmäßig in den Handflächen aufleuchtete und die fleißig andere Menschen auf dem Laufenden hielten. Natürlich kann ich nur mutmaßen, dass sie den Filminhalt weitergaben und nicht den neuesten Cliquen-Klatsch. Doch wenn ich zwischen 6 und 12 Euro für eine Kinokarte zahle, konzentriere ich mich auf en Film und nicht auf das Internet und das Gerät, dass es mit mir verbindet.

Vor allem ist es auch für andere störend, wenn irgendwo im Saal immer eine weitere Leuchtquelle ist. Und die gibt es immer. Ok, mich stört auch schon das Licht eines Notausgang-Schilds im dunklen Kino. Solange die Leute Ihre Smartphones auf lautlos stellen, ist es mir recht. Wenigstens filmen sie nicht mit dem Handy den Film ab, um ihn anschließend zu einer der Nachfolge-Seiten von kino.to hochzuladen.

Ähnliche Situation bei Konzerten:

„Zeigt mir Eure Hände“

Die beliebte Forderung einschlägiger Musiker ergibt keinen Sinn mehr. Die Hände sind schon oben und sie halten eine Digitalkamera oder ein Smartphone. Was bringt es mir, wenn ich ein Konzert die ganze Zeit durch das Mini-Display betrachte??? Will mir nicht in den Kopf. Wer unbedingt in Facebook zeigen will, wie cool er ist, weil er bei XY steht, soll ein (1) Foto machen und es posten. Das reicht doch. Dann gehen auch weniger Handys bei Konzerten zu Bruch, weil sie aus zwei Metern Höhe runterfallen und der Nebenmann unabsichtlich drauf tritt.

Und wer guckt sich die 90 Minute-Aufnahme eines Konzerts nachher auf seinem iPhone nochmal an? Zeigt man das seinen Freunden? Ich denke, eher wird sich der Filmer selbst das Werk noch einmal betrachten, damit er sieht, was er verpasst hat, als er auf sein Display konzentriert war.

Gastbeitrag: Gezwungenermaßen zurück zur DVD

Ins Kino gehe ich nie, und außer Tatort und Weltspiegel schaue ich fast kein Fernsehen. Trotzdem haben wir zuhause den Festplatten-Rekorder mit Videoverleih von der Telekom, Entertain genannt. Der Grund dafür mag seltsam klingen: Ich hörte auf einer Konferenz, dass es für Entertain eine App fürs iPhone gibt, und dass man damit die Aufnahme von überall auf der Welt programmieren kann. Das fand ich so faszinierend, dass ich es unbedingt haben wollte. Heute will ich es alleine deswegen nicht mehr missen, weil ich auf der Autobahn am Sonntagabend im Stau stehend übers Handy ganz schnell die Tatort-Aufnahme programmiere. Sind wir dann zuhause, starten wir in aller Ruhe unsere Aufnahme, und schauen die neuste Folge zeitversetzt, während Entertain das Ende noch aufnimmt. Großartig.

Apple-TV haben wir übrigens auch. Weil man Bilder und Musik so praktisch auf den Fernseher streamen kann, natürlich. Dass auch bei Apple ein Videoverleih dabei ist, haben wir erst spät bemerkt. Dann aber hat es unser Medienrezeptionsverhalten geprägt: Wir kaufen keine DVDs mehr, sondern streamen die Filme, die uns interessieren. Und wir schauen nur noch in die Fernsehprogramm-App, um aufzunehmen, was wir sonst vielleicht verpassen. Oft liegen zwischen Aufnahme und Anschauen dann aber Monate.

Egal ob Aufnahme oder Streaming – DVDs sind zumindest für uns out. Meistens sieht man sie sowieso nur einmal, danach verstauben sie im Schrank. Die Gebühr fürs Leihen ist sowohl bei Apple-TV als auch bei Entertain so günstig, dass ich das Produkt nicht mehr dinglich besitzen muss. Genau so wenig wie CDs, Zeitungen oder Zeitschriften. Die konsumiere ich lieber digital, und ich zahle auch gerne dafür einen fairen Preis. Im logischen Umkehrschluss haben wir fast alle DVDs bei Momox oder Ebay verkauft, die CDs gehen langsam aber sicher den selben Weg.

Nicht alles ist digital

Umso erstaunter war ich vor einigen Tagen: Ich interessiere mich gerade sehr für Memphis, Tennessee, und habe festgestellt, dass es einige Filme gibt, in denen diese Stadt eine wesentliche Rolle spielt. Wie groß war mein Erstaunen, dass ich weder Mystery Train von Jim Jarmusch aus dem Jahr 1989 noch Great Balls of Fire mit Dennis Quaid und Wynona Rider von 2003 dort fand. Meine erste Reaktion war: „Dann schaue ich mir die Filme halt nicht an“, denn eigentlich wollte ich ja keine neuen DVD-Hüllen im Haushalt. Doch der Wunsch, den Film zu sehen, war größer: Ich habe mich also für den Kauf entschieden, allerdings mit dem festen Entschluss, die DVDs sofort weiterzuverticken, wenn ich sie gesehen habe. Bis es soweit war, brachte der Preisvergleich ein ebenfalls erstaunliches Ergebnis: Bei Amazon kostete die günstigste Ausgabe von Mystery Train inklusive Versand 6 Euro, bei Ebay wird sie mehrfach für 16 oder sogar 23 Euro angeboten. 23 Euro für eine DVD? Rätselhaft.

Zugegeben: Manchmal frage ich mich, was passiert, wenn durch einen technischen Defekt alles weg wäre: Bilder, Bücher, Musik, Videos. Und über die Cloud auch nicht mehr herstellbar wäre. Weil vielleicht jemand den Stecker vom Internet gezogen hat – oder was auch immer. Aber ganz ehrlich: Sollte das passieren, wird die Welt vermutlich ganz andere Probleme haben.

Die Autorin Bettina Blaß ist selbstständige Wirtschafts-Journalistin, Dozentin und Buchautorin in Köln. Ihre Homepage: http://www.wirtschaft-verstehen.de