Der ESC – ein soziales Event #JoinUs

Der Eurovision Songcontest gilt als der größte Musikwettbewerb der Welt. Und vielleicht ist er auch der sozialste Event, zumindest seit diesem Jahr. Denn mir ist vorher nirgendwo ein Event aufgefallen, bei dem das Motto eine Zugehörigkeit zu Social Media anzeigt: #JoinUs. Das Hashtag soll dafür sorgen, alle Posts in sozialen Netzwerken zum ESC zu vereinen. Eine tolle Idee. Natürlich ist das nicht der erste Event, bei dem parallel dazu auf Twitter & Co. die Post(s) abgeht. Aber eben der erste, der das so offensichtlich zeigt.

Und damit vor allem die Live-Besucher auch fleißig die sozialen Netze nutzen, wurde in der Halle in Kopenhagen ein freies WLAN eingerichtet. Das lief die ganze Veranstaltung über zuverlässig, auch wenn es nicht das schnellste war.

Ein paar Wochen vorher in Köln sah das noch ganz anders aus: In der Lanxess Arena fand der deutsche ESC-Vorentscheid statt. Mit dem Hinweis auf die Live-TV-Übertragung wurden die Besucher gebeten, ihre Handys auszuschalten, um die Übertragungstechnik nicht zu stören. Natürlich haben das alle ganz brav befolgt…

In Kopenhagen dann das genaue Gegenteil. Der Aufforderung zum Posten wurde tausendfach befolgt. In allen wichtigen sozialen Netzwerken ist #JoinUs auch die ganze Woche über noch zu finden. Und dass, obwohl die Moderatoren des Abends über das ganze gehashtagge ein wenig spotteten.

Bei einer gezielten Nutzung von Hashtags durch den Veranstalter und der Kommunikation zeigt sich, wie stark die sozialen Netze unser Leben durchdrungen haben. Auch sonntags gehen beim Tatort auf Twitter unter #tatort die Diskussionen hoch her (über Social-TV habe ich ja schon geschrieben). Jeder Veranstalter eines Events mit einigermaßen netzaffinen Publikum sollte sich daher schon am Anfang der Planung Gedanken über ein griffiges Hashtag machen, das zu Beginn jeglicher Werbung für den Event eingesetzt werden kann. Und nicht wie bei der Tagung, auf der ich neulich war: es wurde kein offizielles Hashtag kommuniziert und die wenigen anwesenden Twitterer nutzen dann selbstausgedachte, aber quasi jeder ein eigenes.

Wer noch mehr über die Geschichte des Hashtags lesen möchte, kann das in meinem Artikel bei t3n.de tun.

Fernsehen nur noch #social

Nachdem ich mich lange und breit wissenschaftlich, also eher theoretisch, mit Social TV befasst habe, hat mich mittlerweile das Twitter-Fieber gepackt: es gibt kaum noch eine Sendung im deutschen Fernsehen, bei der ich nicht parallel die Diskussionen bei Twitter verfolge. Egal ob #tatort, #polizeiruf, #dsds, #gntm oder #jauch: zu allem wird getwittert (ja, ich bin schuldig, ein bisschen Trash-TV muss sein). Und oft finde ich die Tweets unterhaltsamer als das TV-Programm selbst. Ich habe schon schallend losgelacht, weil es bei Twitter jemand genau auf den Punkt gebracht hat, was mir gerade durch den Kopf ging.

 

Die „Mädchen“ bei Germany’s next topmodel wurden gerade in einer Hotelsuite an einen opulent gedeckten Tisch geführt.

Wie die meisten Nutzer von sozialen Netzwerken lese ich in der Regel nur. Ab und an packt es mich aber und ich muss meine Meinung kundtun. Dann bin ich als @CGNTimo unterwegs und teile auch aus. Oft reicht natürlich auch ein Retweet. Andere haben es ja schon auf den Punkt gebracht.

Wenn ich das mit der Studie vergleiche, habe ich mich ziemlich genau meinen Testobjekten angepasst. Meine Nutzungssituation beeinflusst die Parallelnutzung von Fernsehen und Internet:

„Wer alleine ist, greift häufiger zum Second Screen.“

Ich sehe in der Regel alleine Fernsehen. Ergo findet der Austausch online statt. Warum sollte ich auch twittern, wenn ich mich mit jemandem unterhalten kann? Wenn ich im Zug sitze und einen Gesprächspartner habe, schreibe ich ihm ja auch nicht per WhatsApp (ok, das soll es trotzdem geben).

„Der Second Screen bleibt der zweite Bildschirm. Das TV-Programm wird weiterhin überwiegend auf dem TV-Gerät konsumiert.“

Jepp.

„Spezielle Social-TV-Apps erreichten in der Studie keinen nennenswerten Anteil bei der Parallelnutzung.“

Die Twitter-App reicht vollkommen.

Anders als die meisten Teilnehmer meiner Studie nehme ich aber das iPad. Da kann ich einfach mehr Tweets auf einmal sehen.

Social TV macht süchtig. Dagegen gibt es dann nur ein Mittel. Den Fernseher auslassen. #buchlesen

Wenn Fernsehen allein nicht reicht

Kurz vorweg: Ich habe vor einigen Jahren ein berufsbegleitendes Studium im Fach Medienwirtschaft an der RFH Köln begonnen. Jetzt bin ich damit fast durch und seit heute ist zumindest die Abschlussarbeit benotet und freigegeben. Ich habe mich mit dem Phänomen „Social TV“ beschäftigt und dazu eine empirische Studie gemacht, deren Ergebnisse ich hier vorstelle.

Immer mehr Menschen nutzen das Internet parallel zum Fernsehen, um sich mit anderen über das Fernsehprogramm auszutauschen.  Dies findet in der Regel in sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter statt. Dafür hat sich der Begriff „Social TV“ etabliert. Mein Ansatz war, dass diese Parallelnutzung vom Endgerät abhängig ist: Mit einem schweren Laptop auf dem Schoß macht man weniger als mit einem leichten Smartphone oder Tablet-PC. Daher habe ich untersucht, inwieweit die Parallelnutzung von der Nutzungssituation abhängig ist. Untersuchungsgegenstand ist der Tatort.

Der Tatort gehört zu den beliebtesten Formaten im deutschen Fernsehen. In der Rangreihe der meistgesehenen Fernseh- und Spielfilme 2011 sind die ersten zehn Plätze durchgängig mit Tatort-Folgen besetzt. Diese Beliebtheit spiegelt sich in den Nutzern der Facebook-Seiten annähernd wieder. Hier gehört die offizielle Tatort-Seite zu den Top 10 der Seiten von deutschen Fernsehsendungen. Während der Ausstrahlung des Tatorts wird die Facebook-Seite intensiv genutzt. Nutzer hinterlassen mehrere Hundert Kommentare mit direktem Bezug zur aktuellen Sendung. Im Vor- und Nachgang einer einzelnen Sendung können bis zu 1.500 Kommentare erreicht werden.

Zunächst habe ich in qualitativen Interviews (noch einmal Danke an alle Interviewpartner) mögliche Nutzungssituationen und Motivationen in Erfahrung gebracht. Daraus habe ich folgende Hypothesen generiert:
  1. Social TV wird genutzt, um ein Kommunikationsbedürfnis zu befriedigen, wenn der Tatort alleine konsumiert wird.
  2. Social TV wird genutzt, weil das Angebot vorhanden ist und sich leicht nutzen lässt.
  3. Social TV wird hauptsächlich mit dem Smartphone genutzt.
  4. Der TV-Konsum findet weiterhin mit einem regulären Fernsehgerät statt.
  5. Beim Tatort wird Social TV genutzt, wenn die Handlung nicht spannend genug ist.
  6. Apps wie Couchfunk spielen beim Social TV nur eine untergeordnete Rolle.

 In einer (nicht-repräsentativen) Online-Umfrage mit mehreren Hundert Teilnehmern habe ich die Hypothesen dann geprüft. Das Fazit:

Die zunehmende Verbreitung von internetfähigen Geräten wie Smartphones und Tablet-PCs scheint die Parallelnutzung stark gefördert zu haben. Da der meistgenutzte Second Screen das Smartphone ist, kann man durch die weiterhin steigende Verbreitung von Smartphones auch mit einer Zunahme der Parallelnutzung rechnen.

Auch die Nutzungssituation beeinflusst die Parallelnutzung: Wer alleine ist, greift häufiger zum Second Screen.

Der Second Screen bleibt der zweite Bildschirm. Das TV-Programm wird weiterhin überwiegend auf dem TV-Gerät konsumiert. Lediglich in Fällen, in denen kein TV-Gerät vorhanden ist, kommen andere Übertragungswege (zum Beispiel Livestreams) zum Zug. Insofern sollten Fernsehsender das Angebot an Livestreams ausbauen, um die Zielgruppe zu erreichen, die kein TV-Gerät besitzt.

Spezielle Social-TV-Apps erreichten in der Studie keinen nennenswerten Anteil bei der Parallelnutzung. Insofern muss kein TV-Sender in die Programmierung einer App investieren, sondern es scheint ausreichend, eine offizielle Präsenz des Senders bzw. der Sendung in sozialen Netzwerken anzulegen.

Die komplette Arbeit zum Nachlesen gibt es hier (PDF, 3,5 MByte).