Gastbeitrag: Auf der Suche nach den wirklich tollen und innovativen Dingen auf der IFA

SONY DSCEs mag naiv von mir gewesen sein. Aber nach der Berichterstattung der Kollegen in der Presse und im Fernsehen, dachte ich, auf der Internationalen Funkausstellung (IFA) alle Nase lang über eine unfassbar tolle neue technische Errungenschaft zu stolpern, die mein Leben in Zukunft dramatisch verändern würde. Jetzt habe ich gelernt, dass das nicht so ist. Vielmehr musste ich fast schon nach Dingen suchen, die mich begeistern.

Was es dagegen im Überfluss gibt, sind Hüllen für Smartphones und Tablets sowie Kopfhörer, Geräte, die den mobile devices laute Musik entlocken und externe Batterien. Die habe ich allerdings schon seit zwei Jahren. Auch Saugroboter begeistern mich nicht, denn einer ist schon seit über einem Jahr in unseren Räumen unterwegs. Smartwatches hauen mich ebenfalls nicht vom Hocker. Erstens sind sie nicht mehr neu, zweitens finde ich sie schlicht und ergreifend nicht schön. Da ist es mir dann auch egal, ob ich mit der Uhr telefonieren kann oder nicht. Ich hoffe, dass es sehr bald hübschere Modelle geben wird, dann wird das Thema Smartwatch mich sicher auch interessieren.

Fitnessarmbänder gab es ebenfalls an vielen Ständen, aber auch das trage ich schon. Mein Fazit: Da es nicht von selbst erkennt, wenn ich schlafe, und ich immer vergesse, ihm das rechtzeitig mitzuteilen, sind meine Daten und die, die unter Umständen an den Hersteller und die Werbewirtschaft übertragen werden, nie der Realität entsprechend. Allerdings: Fitness und Gesundheit sind ein Schwerpunkt der IFA in diesem Jahr. eHealth ist der Oberbegriff und dabei vernetzen sich Zusatzgeräte mit dem Smartphone und einigen Apps und messen beispielsweise den Puls oder das Gewicht. Im Gesundheitsbereich geht es jedoch um sensible Daten und nicht nur um Spielereien. Darum erwarte ich von Produkten in diesem Segment, dass sie einfach und zuverlässig funktionieren. Auch wenn ich sicher bin, dass in diesem Thema sehr viel Potenzial steckt, fühle ich mich bisher eher wie ein Betatester, der zu allem Überfluss viel Geld bezahlt, um ein unausgereiftes Produkt ausprobieren zu dürfen. Zumindest waren meine Erfahrungen mit vernetzten Waagen in diesem Jahr so schlecht, dass ich mich zum Schluss für eine herkömmliche Waage entschieden habe, die überhaupt nicht vor hat sich mit irgend etwas zu vernetzen.

Bessere Smartphone-Akkus sind notwendig

Das Gleiche gilt für den Brustgurt, den man trägt, um während des Laufens seinen Herzschlag unter Kontrolle zu haben: Ich hatte ein Produkt eines Anbieters, das sich via Bluetooth mit dem Smartphone verbunden hat. Selbiges trägt man an einem Gurt um den Oberarm. Leider hat der Brustgurt sehr unregelmäßig an die App gesendet, so dass oft Daten fehlten. So lässt sich ein Training jedoch nicht zuverlässig auswerten. Außerdem hat die Kombination Brustgurt/Smartphone einen zweiten Nachteil: Der Akku in einem zweieinhalb Jahre alten Smartphone, das bis zum Erbrechen für alles Mögliche benutzt wurde, ist zu abgenudelt, um via Bluetooth für eine längere Zeit Daten aufzuzeichnen. Das übrigens ist aus meiner Sicht bei vielen Geräten der absolute Negativpunkt: Solange die Akkus nicht deutlich besser werden, ist es fast egal, wie gut die Zusatzprodukte sind. Man kann sie nur begrenzt nutzen

Ein zweiter Schwerpunkt auf der IFA ist das vernetzte Haus. Und über dieses Thema muss ich immer schmunzeln. Denn über dieses Thema habe ich schon im Jahr 2000 bei capital.de und WISO geschrieben:

„Für sie ist der denkende Kühlschrank eine Hilfe. Er überprüft Smart Labels an der Ware und stellt fest, was abgelaufen ist oder was im Supermarkt nachgeordert werden muss. Im besten Fall bestellt der Kühlschrank hier online beim Supermarkt den Einkauf und der Supermarkt liefert ins Büro oder zu einer bestimmten Zeit nach Hause.“

Es war damals schon kein neues Thema. Leider habe ich bis heute noch keinen Grund dafür gefunden, warum mir mein Kühlschrank beispielsweise ein Foto seines Innern schicken sollte – ich weiß, wie es dort aussieht. Ich frage mich auch, warum ich die Waschmaschine von unterwegs über das Handy einschalten sollte. Um dies zu machen, muss ich sie zumindest vorher beladen haben. Dann kann ich auch den Knopf direkt drücken, ohne eine App zu nutzen. Allerdings: Sollte die Waschmaschine auslaufen, während ich nicht zuhause bin, hätte die Versicherung sicherlich Einwände, wenn sie den Schaden regulieren sollte. Egal, ob ich die Waschmaschine per App oder manuell eingeschaltet habe. Ähnlich verhält es sich mit Herd und Backofen: Das Vorgängermodell meiner heutigen Gerätekombination ließ sich schon 1997 so programmieren, dass es nach einer bestimmten Zeit an- oder ausging. Allerdings habe ich diese Funktion maximal zweimal genutzt – es war mir zu gefährlich. Und es wird nicht weniger gefährlich, nur weil ich es jetzt per App machen kann.

Was mich auf der IFA beeindruckt hat

Trotzdem gab es vier Dinge auf der IFA, die mir sehr gut gefallen haben:

  1. Ich bin kein Fan des Fernsehers. Aber die Schärfe der neuen Fernseher und die dargestellten Farben sind ein ziemlicher Kracher. Ich hoffe, unser noch gar nicht so alter Fernseher geht bald kaputt. Allerdings sind die neuen Geräte noch sehr teuer.
  2. Von Rollei gibt es eine Minikamera, die man am Hals tragen kann. Sie filmt in Full HD, macht Bilder und wiegt nichts. Als Display kann man sein Smartphone nutzen. Praktisch – allerdings nur, wenn das Smartphone-Akku gut genug ist. Die Qualität des aufgenommenen Materials und die Benutzerführung kann ich allerdings nicht beurteilen. Das konnte ich (noch) nicht testen.

  3. Eine nicht mehr ganz neue Sache, aber von mir das erste Mal getestet: Bezahlen mit dem Handy über NFC mit SmartPass von Vodafone. Im Hintergrund liegt quasi eine Kreditkarte, auf die ein nur begrenzter Betrag geladen ist. Man hält das Handy über ein Terminal – und schon hat man bezahlt – keine Unterschrift, kein PIN. Besonders erfreulich: Es gibt schon eine ganze Reihe Kooperationspartnern, bei denen man mit SmartPass bezahlen kann. Ich hoffe, dass Mobile Payment sich bald durchsetzen wird.
  4. Auch nicht mehr ganz neu, aber das erste Mal selbst getestet: eine Augmented Reality Brille. Wahnsinn! Ich hatte etwa 30 Minuten Zeit, mir die Szene einzuprägen, denn so lange musste ich warten, bis ich die Brille endlich aufsetzen durfte: ein Brett, etwa 50 Zentimeter breit und zwei Meter lang, lag auf dem Boden. Dort war ein übergroßes Foto einer Stadt mit Hochhäusern von oben zu sehen. Ich dachte mir: Du wirst vermutlich mit Brille über einen Steg oder einen Balken gehen müssen, der Hausdächer verbindet. Ich setzte die Brille und die Kopfhörer auf und sah genau die Situation, die ich mir vorgestellt hat. Und obwohl ich mich darauf vorbereitet hatte, stand ich nun in dieser virtuellen Welt und balancierte über ein schmales Brett, mit den Händen das Gleichgewicht suchend – und wohl wissend, dass es diese Situation so nicht gibt. Das war mehr als mein persönliches IFA-Highlight, es war die Erfahrung des Wochenendes und vielleicht sogar des gesamten Monats oder noch mehr. Ähnlich müssen sich damals die Zuschauer gefühlt haben, die angeblich schreiend auseinanderstoben, als ein Zug im Film der Brüder Lumière in den Bahnhof einfuhr. Und wahrscheinlich werden folgende Generationen darüber lachen, wenn sie von meiner ersten echten AR-Erfahrung hören sollten. Sie auf jeden Fall war es wert, die IFA zu besuchen.

Die Autorin Bettina Blaß ist selbstständige Wirtschafts-Journalistin, Dozentin und Buchautorin in Köln. Ihre Homepage: http://www.wirtschaft-verstehen.de